125 Jahre Automobil: Wirtschaftsmotor, Statussymbol und Klimakiller

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Autos bewegen Menschen ebenso wie Güter und halten die Wirtschaft in Fahrt. Mit über vier Millionen exportierten Fahrzeugen jährlich ist die Automobilbranche eine Stütze der deutschen Wirtschaft. Damit deutsche Autos auch künftig weltweit an der Spitze mitfahren, müssen sich die Hersteller mit den seit über 100 Jahren klangvollen Namen anstrengen, so innovativ zu bleiben, wie einst.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stehen die Hersteller vor neuen Herausforderungen. Angesichts knapper Ressourcen und des nötigen Klimaschutzes müssen sie den Antrieb neu erfinden. Weltweit arbeiten die Unternehmen mit Hochdruck an Brennstoffzellen- und Batterieantrieben, auch in Deutschland.
Das Auto ist nicht des Deutschen liebstes Kind, es hat auch die Welt verändert. Und das nicht nur zum Guten. Mobilität ist das wichtigste Ergebnis, verbunden mit Individualität. Mobilität ist Voraussetzung für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft, ab einer gewissen Größenordnung wird individuelle Mobilität, die das Auto wie keine andere Erfindung bietet, allerdings zur Plage.
Mehr als zwei Milliarden Autos wurden in den 125 Jahren gebaut, schätzen Experten, denn die genaue Zahl ist nicht bekannt. Hinter dieser Größenordnung verbergen sich Unmengen von Stahl, Öl für Benzin und Diesel, Plastik und andere Werkstoffe. Das Auto hat die Menschen näher rücken lassen, das Leben angenehmer gemacht und gleichzeitig die Lebensgrundlagen mit zerstört.



Da sind die Betonbahnen, die einzig und allein für das Auto das Land in alle Richtungen durchschneiden. In Deutschland sollen es exakt 231 359 Kilometer Straße sein. Weltweit existieren keine Zahlen, außer beim amerikanischen Geheimdienst, und danach sollten es rund 32 Millionen Straßenkilometer sein. Wenn das stimmt, dann zieht sich das Band aus Asphalt oder Beton rund 800 mal am Äquator um die Erde.
Wenn man schon zum 125jährigen Geburtstag des Autos eine Bilanz ziehen will, dann darf man auch die Verkehrstoten nicht völlig aus dem Blick verlieren.
2010 starben auf Deutschlands Straßen täglich zehn Menschen. Die schlechte Nachricht hat aber auch eine gute Seite. Das waren so wenige Tote wie seit 60 Jahren nicht mehr.
Die Zahl der Verkehrstoten hat im vergangenen Jahr in Deutschland einen absoluten Tiefstand erreicht. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, starben im vergangenen Jahr 3657 Menschen auf deutschen Straßen. Das waren zwölf Prozent (495) weniger als 2009. Der positive Trend aus den Vorjahren habe sich damit noch verstärkt. Es fällt schwer, in diesem Zusammenhang von einer positiven Nachricht zu sprechen, denn wenn jedes Jahr die Bevölkerung einer Kleinstadt durch das Auto allein in Deutschland getötet wird, dann erkennt man schnell, dass Mobilität auch Schattenseiten hat.
Dennoch wird „der Wunsch nach Mobilität nicht verloren gehen“, zeigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Feier zum 125-jährigen Jubiläum des Automobils bei der Daimler AG zuversichtlich. Mit innovativen Antriebssystemen habe das Auto Zukunft. Sich zu bewegen, den eigenen Radius zu erweitern, werde die Menschen auch in Zukunft faszinieren.
Deutschland ist Auto-Land! Bei neuen Technologien waren die deutschen Hersteller stets Innovationstreiber. 720.000 Beschäftigte und eine Exportquote von 70 Prozent machen deutlich, wie sehr die Wirtschaft des wohl wichtigsten europäischen Industrielandes vom Auto abhängt.
In den kommenden zehn Jahren wird sich nach Überzeugung der Bundeskanzlerin entscheiden, ob die deutsche Erfolgsgeschichte weitere 125 Jahre fortgeschrieben wird. Dafür brauche es einerseits führendes Know-how, zum anderen aber auch Mut und Offenheit für Neues. „Die Welt freut sich über deutsche Erfindungen – aber sie wartet nicht auf sie“, mahnte Merkel. Deshalb heiße es, in den nächsten Jahren einen Zahn zuzulegen.
Die Politik setzt dafür die Rahmenbedingungen. So lenkt die Bundesregierung jedes Jahr drei Milliarden Euro mehr in Bildung und Forschung, um Deutschland innovationsfähig zu halten: für bessere Ausbildungsbedingungen, leistungsstarke Universitäten, neue Forschungszentren.
Mit der im vergangenen Jahr ins Leben gerufenen Plattform Elektromobilität seien die Weichen für die Entwicklung der Branche gestellt worden, erinnerte die Kanzlerin. Der Plan: Bis zum Jahr 2020 sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren.
Der Straßenverkehr hat in den letzten Jahrzehnten rasant zugelegt. Fast 55 Millionen Kraftfahrzeuge bevölkern heute Deutschlands Straßen. Mitte der 1960er Jahre waren es gerade elf Millionen. Und ein Ende des Wachstums ist bisher nicht in Sicht. Dazu kommt: Heutige Autos sind größer, schwerer und leistungsstärker als ältere Modelle. Die Folge: Trotz effizienterer Motoren ist der Durchschnittsverbrauch der Pkw-Flotte in den letzten Jahren kaum gesunken.
Der Ausstoß an klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) durch den Straßenverkehr ist enorm. Von den jährlich 170 Millionen Tonnen CO2 des gesamten Verkehrssektors pusten die Pkw in Deutschland 100 Millionen in die Luft – das sind fast 60 Prozent!
Dabei sind Autofahren und Auto besitzen offenbar zwei völlig verschiedene Dinge, wie kürzlich eine ARD-Umfrage ans Licht brachte. Während auf der einen Seite 66 Prozent aller Deutschen Car-Sharing ablehnen, also die zeitweilige Nutzung eines Autos, wenn es gebraucht wird, stehen statistisch die rund 55 Millionen Fahrzeuge täglich 23 Stunden, um dann eine Stunde bewegt zu werden. Rechnet man je Fahrzeug einen durchschnittlichen Wert von 15 bis 20 000 Euro, so steht allein in Deutschland ein Vermögen von etwa einer Billion Euro täglich 23 Stunden auf Straßen und in Garagen, um zu rosten. Ein hoher Preis für Mobilität, den man sich bei rationalem Denken eigentlich nicht leisten kann. Aber rationales Denken hört beim Auto meist auf. Nicht nur als Ablassventil auf den Straßen für Aggressionen aller Art muss das Auto herhalten, auch als Statussymbol ist es unverzichtbar. Vor allem Männer definieren sich über das Auto, die Marke, die Motorleistung und die Form.
Zu einer Bilanz des Autos gehört natürlich auch der Blick nach vorn. Wie wird es mit dieser Erfindung, die die Welt veränderte, weitergehen. Dieser Frage gingen unter anderem Verkehrsexperten und Politiker aus aller Welt vor wenigen Tagen zum vierten Weltverkehrsforum in Leipzig nach. Lesen sie dazu auch ein dpa-Interview.