Duale Berufsausbildung in Schieflage

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Ende letzten Jahres fand an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg eine viel beachtete Fachtagung zu Folgen des demografischen Wandels für das Berufsausbildungssystem der neuen Bundesländer statt.  Berufsbildungsforscher der Universitäten Magdeburg, Rostock und Dresden sowie Experten des Bundesinstituts für Berufsbildung stellten mögliche Lösungen, Forschungs- und Handlungsansätze vor.

Ein Auszubildender bläst am 21.10.2014 im Ausbildungszentrum der ZF in Friedrichshafen (Baden-Württemberg) die Metallspäne von einem Werkstück, das in einen Bohrer eingespannt ist. Foto: Felix Kästle/dpa | Verwendung weltweit
Ein Auszubildender bläst Metallspäne von einem Werkstück, das in einen Bohrer eingespannt ist. Foto: Felix Kästle/dpa

 

Die Zahl der Ausbildungsverträge in den neuen Bundesländern sinkt in einigen Berufen dramatisch, es gibt einen Höchststand an unbesetzten Berufsausbildungsstellen, immer mehr Ausbildungsabbrecher sowie einen enormen Rückgang der unternehmerischen Ausbildungsbeteiligung. Zu dieser Einschätzung kommt das von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg gegründete „Forschungsnetzwerk Demografie und Fachkräftesicherung in den neuen Bundesländern.“

 

Im Netzwerk kooperierende Berufsbildungsforscher der Universitäten Magdeburg, Rostock und Dresden sowie Experten des Bundesinstituts für Berufsbildung diskutierten deshalb im Virtual Development and Training Centre VDTC des Fraunhofer Instituts IFF über mögliche Lösungen für diese Probleme und formulierten Forderungen an die Bildungspolitiker, um dieser teilweise dramatischen Situation entgegen zu wirken.

 

„Der demografische Wandel führt zu beträchtlichen Verwerfungen insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen“, so der Berufs- und Betriebspädagoge Prof. Klaus Jenewein von der Universität Magdeburg. „Dem Nachwuchs- und Fachkräftemangel in Mitteldeutschland können die Betriebe aber nur mit großer gemeinsamer Anstrengung und abgestimmt mit ihren Ausbildungspartnern entgegenwirken“, so Jenewein.

 

Dafür sollten seiner Ansicht nach die Ergebnisse eines bundesweiten Modellversuchs des Bundesinstituts für Berufsbildung herangezogen werden. Dieser wurde unter Mitarbeit der Magdeburger Berufsbildungsforscher durchgeführt und zeigte neue Ansätze für den Umgang mit demografischen Veränderungen. „Die gemeinsame Aufgabe ist nur in enger Zusammenarbeit mit den Sekundarschulen und ihrer Bildungsarbeit in den berufsorientierenden Fächern Technik und Wirtschaft zu bewältigen“, so der Stiftungsprofessor für Wirtschaftsdidaktik der Universität Magdeburg, Prof. Dr. Robert Jahn. Auch die Pädagogen der Berufsbildenden Schulen stünden durch eine wachsende Heterogenität der Berufsschulklassen vor großen Herausforderungen, das Gleiche gelte für die betrieblichen Ausbilder in den Unternehmen des Landes.

 

In den mitteldeutschen Bundesländern hat der demografische Wandel zu einem rapiden Rückgang der nicht studienberechtigten Schulabsolventen geführt. Waren es in den neuen Bundesländern im Jahr 2001 noch über 170 000 Schulabsolventen, lag der Tiefpunkt im Jahr 2011 bei nur noch 75 000. Diese Entwicklung hat gravierende Konsequenzen: Kamen für Elektriker im Wirtschaftsbereich Handwerk im Jahr 1995 noch 2793 neue Ausbildungsverträge in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zustande, lag die Zahl 2013 bei gerade mal 750 – zwei Drittel weniger und Tendenz weiter fallend.

 

Verschärft werde dieser Trend durch eine weitere Entwicklung, so der Berufsbildungsforscher Jenewein: Die Zahl der so genannten Vertragslösungen steigt seit Jahren gravierend an. In manchen Berufen betrifft die Vertragslösungsquote bereits die Hälfte der betroffenen Ausbildungsverhältnisse, was zu einem weiteren Rückgang der neu ausgebildeten Fachkräfte führt. Jenewein stellt fest, „dass diese Entwicklungen weder in der Bildungs- und Wirtschaftspolitik noch bei den Berufsbildungsakteuren in Betrieben, Berufsbildenden Schulen und überbetrieblichen Bildungseinrichtungen sehr präsent sind. Wir sind längst an einem Punkt, der gerade in unserer Region konsequentes Handeln erfordert.“