Polen und die Religion

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Polen Religion Europa Katholizismus Demokratie
Mehr als 100 000 Pilger drängen sich am Marienheiligtum in Kalwaria Zebrzydowska im Süden Polens. Die Tradition des Nachspielens der Passion Christi geht zurück bis ins 17. Jahrhundert. Der Katholizismus in Polen hat enormen Einfluss auf alle politischen und gesellschaftlichen Ebenen. Eine säkulare Initiative sorgt nun für Aufregung. – Foto: dpa

Polen hat seit jeher mit seinen Nachbarn Deutschland und Rußland ein sehr ambivalentes Verhältnis, dass erst, ähnlich wie mit Frankreich, seit dem Zweiten Weltkrieg in freundschaftlichen Bahnen verläuft. Polen ist wirtschaftlich ein Musterland, hat anerkannte politische und demokratische Strukturen, die bei allem Geplänkel um einzelne Politiker auf einem soliden Fundament der europäischen Entwicklung stehen. Polen drohen aber innenpolitisch durchaus auch Spannungen.

So gilt das Land als zutiefst katholisch. Rund 87 Prozent aller Polen bekennen sich zum katholischen Glauben, so die offizielle Statistik. Damit ist natürlich klar, dass jede gesellschaftliche Veränderung auch ganz wesentlich von diesem religiösen Hintergrund mit bestimmt wird. Dagegen wehren sich aber zunehmen säkulare Kräfte in Polen. Mit einer großen Werbeaktion haben sie jetzt auf sich aufmerksam gemacht.

Überall hingen Plakate mit der Aufschrift „Ich töte nicht, ich stehle nicht, ich glaube nicht“. Ein Aufschrei der Empörung ging durch das Land und von einer elementaren Bedrohung der Demokratie war die Rede. Elementare Bedrohung der Demokratie? Abgesehen davon, dass die „Initiative zur Religionsfreiheit“ die offiziellen Zahlen des Bekenntnisses zum Katholizismus bestreitet, setzen sie sich auch dafür ein, dass es keinen Religionsunterricht bereits in Kindergärten geben soll und an den Schulen Ethik als Wahlfach angeboten wird. Was sich wie eine Religionsauseinandersetzung anhört, hat viel tiefere Wurzeln im gesellschaftlichen und politischen Geschehen Polens. Auch hier entsteht eine Bewegung, die schnell in eine Gegenbewegung kippen kann, die dann unter Umständen auch dem europäischen Gedanken zuwiderläuft.

Fazit: Es gibt unzählige Baustellen im geeinten Europa, und an vielen Stellen ist europa- und innenpolitischer Sprengstoff gelagert. Die Zukunft der Europäischen Union steht in den sie symbolisierenden Sternen. Dennoch wäre der Rückfall in die Kleinstaaterei das Aus für die geopolitische und wirtschaftliche Bedeutung Europas, wäre ein Rückfall auf die Ausgangsposition von Otto dem I., von dem eingangs die Rede war. Und das würde uns alle treffen.