Die richtige Zeit zum Aufbruch

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Mit dem Symposium AUFBRUCH wollte das Puppentheater Magdeburg unter anderem eine bessere Vernetzung und Zusammenarbeit der ostdeutschen Puppentheater erreichen. aspekt wollte Näheres wissen und sprach mit den Dramaturginnen Katrin Gellrich und Stephanie Preuss.

Podiumsrunde während der internationalen Konferenz „Aufbruch“ in Magdeburg: v.l.n.r.: Veselka Kunskeva (Bulgarien), Ruslan Kudashov (Rußland), Anna Invonova (Rußland), Alexei Leliavski (Weißrußland), Frank Bernhardt (Deutschland).  Foto: Jesko Döring
Podiumsrunde während der internationalen Konferenz „Aufbruch“ in Magdeburg: v.l.n.r.: Veselka Kunskeva (Bulgarien), Ruslan Kudashov (Rußland), Anna Invonova (Rußland), Alexei Leliavski (Weißrußland), Frank Bernhardt (Deutschland).
Foto: Jesko Döring

aspekt: Was genau ist das Projekt AUFBRUCH? Wie kam es zu der Idee eines Symposiums?
Katrin Gellrich: Die Puppentheater haben im Reigen der darstellenden Künste einen relativ schweren Stand, gerade im Vergleich zu beispielsweise den Schauspielhäusern. In der Öffentlichkeit hängt den Puppentheatern immer der Ruf an, Kindertheater oder Kleinkunst zu sein – uns ist gerade in letzter Zeit in diversen Gesprächen mit Kollegen der anderen Häuser aufgefallen, dass das nicht nur bei uns in Magdeburg so ist, sondern alle ostdeutschen Ensemble-Puppentheater damit zu kämpfen haben. Ebenso gibt es kaum eine Vernetzung zwischen den einzelnen Puppentheatern und man weiß voneinander eigentlich wenig. Jeder ist tendenziell Einzelkämpfer.
Oft wird vergessen, dass das ostdeutsche Puppentheater eine wichtige Tradition in der DDR war. Damals gab es ganze 18 dieser staatlichen Puppentheater – heute sind es nur noch neun, die noch als solche gelten können, da sie über ein eigenes Ensemble und eine eigene künstlerische Leitung verfügen. Trotzdem sind es oftmals die Puppentheater, denen es als erstes an den Kragen geht, wenn irgendwo Kürzungen ins Haus stehen. Dieser Tendenz entgegenzuwirken und ein überregionales Bewusstsein für Puppentheater zu schaffen, das war einer der Anlässe, für das AUFBRUCH-Symposium.

aspekt: Warum hat gerade das Puppentheater Magdeburg dieses Projekt initiiert?
Katrin Gellrich: Wir sind uns bewusst, dass in Sachsen-Anhalt viel für die beiden Puppentheater in Halle und Magdeburg getan wird. Überregional zählen diese beiden Häuser heute zu den bekanntesten und größten Puppentheatern, die daher auch finanziell in „trockenen Tüchern“ sind, was jedoch bei den anderen Puppentheatern problematisch ist. Aus diesem Grund haben wir uns in der Verantwortung gesehen, diejenigen zu sein, die den anderen Häusern etwas davon vermitteln können, indem wir sie einladen und konkrete Gespräche anstoßen.
Stephanie Preuss: Im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Ensemble-Puppentheatern sind wir relativ stark aufgestellt – momentan zählt unser Haus 35 feste Mitarbeiter. So sind wir zum Beispiel in der Lage, jedes zweite Jahr das Internationale Figurentheaterfestival BLICKWECHSEL aus eigenen Kräften auf die Beine zu stellen. Dass wir so personalstark sind, liegt natürlich vor allem daran, dass das Puppentheater Magdeburg keine Sparte, sondern ein Eigenbetrieb ist. Angesichts dessen ist es schon zutreffend, von einer sehr privilegierten Position zu sprechen. Diese wollten wir nutzen, um mit dem Symposium den anderen Häusern auf eine neue Art und Weise zu begegnen. Zu unserer großen Freude waren unsere Puppentheater-Kollegen sehr schnell von der Idee zu AUFBRUCH begeistert, sodass wir im Juli viele Gäste in Magdeburg begrüßen konnten. Schnell entstand ein reger und sehr offener Austausch über die jeweiligen Gegebenheiten und aktuellen Interessen der Häuser, was für mich ein sehr spannender Effekt des Symposiums war.

aspekt: Was sind die konkreten Ziele des Projekts?
Stephanie Preuss: Wir wünschen uns, dass von AUFBRUCH Impulse ausgehen, um die ostdeutschen Ensemble-Puppentheater zukunftsfähig zu machen und sie künstlerisch und strukturell weiterzubringen. So könnten hierarchische Strukturen aufgebrochen werden, um neue Arbeitsweisen zu etablieren. Wenn z. B. ein Spieler auch einmal Regie führen oder für die Ausstattung einer Inszenierung verantwortlich sein möchte, wäre das ohne Probleme möglich. Ebenso ist die Nachwuchsförderung hier ein extrem wichtiger Punkt. Um das feste Engagement an einem Ensemble-Puppentheater für Hochschulabsolventen des Puppenspiels attraktiver zu machen, kann es ein wichtiger Schritt sein, die Spieler stärker in die jeweiligen Produktionsprozesse einzubeziehen. Das bedeutet aber gleichzeitig, die etablierten Gegebenheiten zu hinterfragen.

aspekt: Wie sieht das weitere Projekt aus?
Stephanie Preuss: Wir starten jetzt die zweite Projektphase. Die erste Phase mit Werkschau und Symposium hat den Ist-Zustand der Szene mit all seinen Problemen und Hoffnungen untersucht. Jetzt geht es in die Entwicklung von entsprechenden Maßnahmen. Das Puppentheater Magdeburg hat für die neun AUFBRUCH-Theater eine Projektförderung ausgeschrieben. Sie sind eingeladen, sich mit außergewöhnlichen Projekten zu bewerben, die sie entweder künstlerisch oder strukturell voranbringen und die über ihren normalen Spielbetrieb hinausgehen. Das kann die Zusammenarbeit mit anderen Ensemble-Puppentheatern oder freien Gruppen sein; das können Inszenierungen, Werkstätten oder Residenzen sein. Wir sind sehr gespannt, auf welchen Ideen die Theater kommen. Die Ergebnisse sollen – in welcher Form auch immer – beim nächsten Internationalen Figurentheaterfestival BLICKWECHSEL 2018 präsentiert werden.

aspekt: Wie genau soll es dann nach 2018 weitergehen?
Katrin Gellrich: Zunächst ist AUFBRUCH bis 2018 angelegt. Parallel zum Festival 2018 soll eine Publikation entstehen, in der das Phänomen Ensemble-Puppentheater aus verschiedensten Perspektiven betrachtet wird – davon erhoffen wir uns wiederum eine größere Öffentlichkeit für diese Thematik. Anschließend werden wir uns dafür einsetzen, den durch AUFBRUCH angestoßenen Prozess weiter zu führen, da er für uns und unsere Kunstform extrem wichtig ist.