Bravorufe für die Premiere der Uraufführung des „Mitteldeutschen Jedermann“ vor der mittelalterlichen Kulisse des Remterganges des Magdeburger Doms. Die COMPAGNIE MAGDEBURG 09 präsentierte hier das Stück fast zeitgleich mit der alljährlichen Prunkaufführung in Salzburg. Doch der Mitteldeutsche Jedermann braucht sich hinter dem Salzburger nicht zu verstecken.
Der Teufel versteht die Welt nicht mehr. Wie soll er auch, wo doch Jedermann ein wahrhaft sündiges Leben geführt hat, und jetzt, wo der Tod ihn holt, wo er in der letzten Stunde seines Lebens das Gewissen wiederfindet und bereut, da wird ihm vergeben.
Der „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal ist ein Klassiker unter den Theaterdramen, weil sein Inhalt die Menschen im Angesicht des bevorstehenden Todes zur Auseinandersetzung mit sich selbst führt. In der Uraufführung des „Mitteldeutschen Jedermann“ unter der Regie von Gisela Begrich und Bernd Kurt Goetz ist, abgesehen von der dramatischen Grundidee, von Hofmannsthal kaum etwas übriggeblieben.
Das ist auch nicht nötig, denn die Besinnung auf die wahren Werte eines Lebens vor dem Hintergrund der Endlichkeit allen Tuns dürfte in Bayern und Hessen ebenso aktuell wie in Mitteldeutschland sein. Deshalb konnte man tief in die Kiste regionaler Besonderheiten greifen, ohne auch nur im geringsten etwas von der inneren Dramatik einzubüßen. Und genau das machen die 16 Schauspieler und Laiendarsteller mit einer künstlerischen Selbstverständlichkeit, dass es den Zuschauer von einem Gefühlszustand in den anderen wirft. Wähnt man sich unter dem Eindruck der 12 eigens für das Stück komponierten Lieder von Christoph Deckbar eben noch auf einem Kirchentag, so folgen gleich danach ein Gassenhauer, ein Musical, ein Kunstlied oder ein Gospelsong. Die Musik von Deckbar befördert ganz entscheidend die Handlung. Getragen wird sie allerdings von zwei Protagonisten, die man besonders herausstellen muss. Bernd Kurt Goetz als Prologsprecher und Jedermann verkörpert die Wandlung von der Selbstüberschätzung über die Zweifel zur Verzweiflung höchst intensiv. Er versteht es, das Herz zu rühren, um im gleichen Augenblick mit einem Zucken der Augenbraue das Gefühl ins Gegenteil zu verkehren. Der Jedermann ist für ihn maßgeschneidert.
Einen nicht minder starken Eindruck hinterlässt Jens-Uwe Richter als Teufel und Referent des Jedermann. Mimik und Körpersprache bei dem Bemühen des Jedermann um Läuterung sind allein den Besuch der Vorstellung wert. Wenn das mit der Vergebung so weiterginge, klagt er, dann würde er eines Tages einsam in der Hölle sitzen und die Energiekosten allein tragen müssen. Doch noch gibt das Handeln der Menschen zu dieser Befürchtung keinen Anlass.
Der „Mitteldeutsche Jedermann“ ist ein ganz besonderes Theatererlebnis. Diese Inszenierung ist ein höchst eigenwilliges, spannendes, komisches, anrührendes, manchmal kabarettistisches und mitunter sogar gruseliges Spiel, das enorm viel Stoff zum Diskutieren und Nachdenken bietet. Es trifft jeden Zuschauer an einem ganz individuellen Punkt, denn Jedermann steckt irgendwie in jedermann. Und vor dem Ruf des Todes – hier großartig von Ekkehard Schwarz stimmgewaltig aus den Tiefen des Remtergangs gespielt – fürchtet sich ebenfalls ein jeder.