Kreativ gestalten, statt nur zu verwalten

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Mit rund 450 Beschäftigten zählt das Theater Magdeburg in der kleinteiligen Wirtschaft Sachsen-Anhalts bereits zu den großen Unternehmen. Wer dabei nur an Schauspieler, Sänger und Tänzer denkt, täuscht sich. Das ist der eher kleinere Teil. Großen Umfang nehmen die technischen Einrichtungen, die Werkstätten mit vielen Handwerkern ein. Und darüber hinaus ist das Drei-Sparten-Haus auch noch wichtiger Auftraggeber für zahlreiche Betriebe der Region.
aspekt sprach mit der Generalintendantin Karen Stone und ihrem Stellvertreter und Verwaltungsdirektor Marc Stefan Sickel über Geld und Kreativität, über Anspruch und Sparsamkeit.

Foto Draußen vor der Tür
Konstantin Marsch und Luise Audersch in “Draußen vor der Tür” von Wolfgang Borchert, das mit dem großem Erfolg vor wenigen Wochen Premiere hatte.

aspekt: Hoher künstlerischer Anspruch und begrenzte finanzielle Mittel: Ist das ein unlösbarer Widerspruch?
Karen Stone: So steht die Frage nicht. Wir wissen um die Schwierigkeiten und suchen Lösungen, wie beide Seiten unter einen Hut zu bringen sind. Und das ist gut gelungen, weil wir rechtzeitig begonnen haben, abzuspecken. Seit ich Generalintendantin bin, wurden acht Stellen, die meist aus Altersgründen frei wurden, eingespart. Und zwar so, dass niemand auf der Strecke bleibt.
Marc Stefan Sickel: Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Das Theater Magdeburg hat seit 1991 etwa 13 Prozent der Stellen abgebaut. Einen Haustarifvertrag, was nichts anderes als Gehaltsverzicht bedeutet, gibt es hier nicht. Das ist uns auch besonders wichtig.

aspekt: Die Personalkosten machen sicher einen erheblichen Anteil an den Gesamtkosten aus?
Marc Stefan Sickel: Natürlich. Unser Budget beläuft sich auf rund 28 Millionen Euro. Davon sind rund 80 Prozent Personalkosten. Einen großen Teil meiner Arbeitszeit verwende ich darauf, im technischen Bereich die Prozesse so zu optimieren, dass alle Anforderungen erfüllt werden können. Auch dadurch wurde im Jahr 2012 fast eine halbe Million Euro eingespart, die für die Tarifsteigerungen eingesetzt werden konnten.

aspekt: Ganz abgesehen davon, dass Personalkosten natürlich wieder in die Wirtschaft fließen…
Karen Stone: So sehe ich das. Dieses Geld wird hier vor Ort ausgegeben und kommt damit wieder der Wirtschaft zu Gute. Außerdem werden eine ganze Reihe von Aufträgen an Betriebe der Region vergeben. Gar nicht zu reden von den Einkäufen an Material, Farben und, und, und …
Marc Stefan Sickel: Wir achten darauf, dass solche Aufträge tatsächlich in der Region bleiben. Das ist manchmal gar nicht so einfach, weil man natürlich Preise und Angebote im Blick haben muss.

aspekt: Stichwort Werkstätten. Wie wichtig sind die Theaterwerkstätten für den künstlerischen Betrieb?
Karen Stone: Außerordentlich wichtig. Wir haben phantastische Werkstätten mit Spezialisten, die man kaum noch findet. Selbst ausgefallene und aufwändige Bühnenbilder – ich erinnere hier nur an „Hänsel und Gretel“ – werden von unseren Leuten mit sehr viel Kreativität umgesetzt. Das sind alles Spezialanfertigungen, für die man Liebe zur Kunst und handwerkliches Geschick -braucht.
Marc Stefan Sickel: Das ist sicher ein Grund für das erfolgreiche Wirken in unserem Haus. Alle arbeiten auf ein Ziel hin. Die künstlerische Arbeit und die Arbeit der vielen fleißigen Hände wird gleichermaßen geschätzt und gewürdigt. Das schafft eine schöpferische Atmosphäre, in der vieles scheinbar Unmögliche möglich wird.

aspekt: Nochmal zur Kunst. Wenn man als Generalintendantin eine Oper inszeniert, muss sich da die Generalintendantin mit der Regisseurin um finanzielle Mittel auseinandersetzen?
Karen Stone: Das können Sie glauben. Da gibt es heftige Diskussionen zwischen den beiden Seelen in einer Brust.

aspekt: Und wer gewinnt?
Karen Stone: Immer die Generalintendantin.
Marc Stefan Sickel: Tatsache ist, dass ein finanziell gut geführtes Theater die Grundlage für künstlerische Freiheit ist. Gastregisseure sind oft begeistert davon, wie wir gemeinsam versuchen, das Beste für das Theater herauszuholen. Als Verwaltungsdirektor sehe ich mich nicht als Verwalter, sondern als Gestalter.
Karen Stone: Und das gilt für unseren Technischen Direktor Günter Gruber oder Werkstattleiter Axel Wollny genauso. Sie alle sind mit dem Herzen dabei. Das spürt man, das zieht sich durch alle Abteilungen.
Außerdem: Bei allen Bemühungen und Erfolgen beim Sparen wurden sogar das Orchester und das Ballett um je eine Planstelle erweitert. Das ist ein klares Signal in Richtung künstlerischer Anspruch…

aspekt:…der auch auf kommunaler Ebene geschätzt und gefördert wird?
Karen Stone: Es gab immer die Gewissheit, dass unsere Bemühungen und Intentionen aus dem Magdeburger Rathaus mit großem Engagement unterstützt werden. Das ist außerordentlich wichtig, denn schließlich ist das Theater auch eine Aushängeschild für die Stadt, für die Identifikation der Einwohner.

aspekt: Den Stolz der Magdeburger auf die großen, vielerorts beachteten Inszenierungen hört man immer wieder. Kommt das auch bei Ihnen an?
Karen Stone: Natürlich, und das gibt Motivation, auf dem Erfolgskurs weiter zu machen.
Marc Stefan Sickel: Nicht zuletzt zeigen die Zahlen das. Eine Auslastung von über 80 Prozent und 170 000 Besucher im Jahr, das ist ein ordentliches Ergebnis.
Karen Stone: Viele unserer Zuschauer kommen immer wieder und teilweise von weit her. Und wenn sie über die Inszenierungen sprechen, dann ist das eine Art persönliches Marketing. Oder nehmen sie die erfolgreichen Musical-Produktionen. Allein die Tatsache, dass wir für Les Miserable die Rechte bekommen haben, zeigt, wie ernst man unsere Arbeit nimmt.

aspekt: Was wünschen Sie sich mit Blick auf den Kulturkonvent, der derzeit mehr als 160 Vorschläge für die Gestaltung der Kulturlandschaft Sachsen-Anhalts der nächsten Jahre vorgelegt hat?
Marc Stefan Sickel: Da gäbe es sehr viel zu sagen. Das wichtigste ist aber, dass endlich die Disproportionen in der Förderung der wichtigen Häuser in Sachsen-Anhalt abgebaut werden.
Karen Stone: Wir sind auf einem Erfolgskurs und haben den Samen für eine großartige künstlerische Entwicklung aller Sparten gelegt. Jetzt muss man den Samen in der Sonne wachsen lassen und gießen, und nicht das notwendige Wasser entziehen.

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