Eine Website-Schwalbe macht noch keinen digitalen Sommer

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Die Möglichkeiten der Digitalisierung im Handwerk sind unendlich, darüber sind sich alle Fachleute einig. Doch wie soll das umgesetzt werden? Und geht es dabei nur um die Effektivität der eigenen Arbeit, oder sollten nicht vielleicht auch die Instrumente der Kundenbindung dafür eingebunden werden?

Dem Handwerk geht es gut, die Auftragsbücher sind übervoll. Die meisten Kunden sind sehr froh, wenn ihr Anliegen, die dringende Reparatur, überhaupt Aufmerksamkeit findet. Wartezeiten über mehrere Wochen sind keine Seltenheit.

Das erinnert an Zeiten, in denen dem Handwerker, der sich um den lecken Wasserhahn kümmerte, ein roter Teppich ausgerollt wurde. Diese Situation wurde so legendär, dass darüber sogar Sketche fürs Fernsehen und ganze Spielfilme gedreht wurden. Doch das ist Vergangenheit, allerdings ist angesichts des drohenden Fachkräftemangels durchaus nicht ausgeschlossen, dass sich so etwas wiederholt.

Darum ist der Handwerksmeister oder der Handwerksbetrieb besonders gut beraten, der darüber nachdenkt, dass sich die Situation auch wieder verändern könnte und sich schon heute Gedanken über Möglichkeiten der Kundenbindung macht. Und da gibt es eine Menge, bei der die Digitalisierung hilft.

Wieso schickt eigentlich nur der Steuerberater eine Glückwunschkarte zum Geburtstag? Könnte das ein Handwerker, der regelmäßig im Jahr beauftragt wird, nicht auch? Wäre das nicht eine tolle Form der Kundenbindung und Anerkennung? Oder: Wie wäre es, wenn mein Auftrag per SMS avisiert wird oder eine Verzögerung mir mit Ausweichtermin direkt mitgeteilt wird. Per WhatsApp, Facebook Messenger oder SMS?

Wäre es nicht genial, wenn der Unternehmer eines Handwerksbetriebes die Auftragsabwicklung gar nicht mehr auf dem Papier im Büro, sondern mobil via Smartphone oder Tablet organisieren könnte? Und es wäre super, wenn direkt auf dem Bildschirm Bilder der Abschlussarbeiten seiner Mitarbeiter begutachtet werden könnten. Doch damit nicht genug. Lieferscheine direkt dem Kunden zuordnen, vor Ort Beispiele umgesetzter Malerarbeiten, Bäder, Lampensysteme und anderes auf dem iPad zeigen, oder per eMail den Prospekt als PDF-Datei zur Verfügung stellen, egal von wo. Stundenzettel müssten nicht mehr einmal pro Woche dem Chef übergeben werden, sondern das würde alles digital direkt erfasst werden.

Wie sieht es mit Kundenbindung im Handwerk aus? Dem Kunden beispielsweise eine eigens entwickelte Checkliste für die Wartung seines Heizungs- oder Lampensystems anzubieten ist ein Ausdruck für Kompetenz und Interesse am Produkt. Auch sonst könnte man einiges noch an Serviceleistungen vorbereiten, ohne großen Aufwand und zum Teil sogar automatisiert oder zumindest teilautomatisiert. Hört sich gut an?

Der Weg zum digitalen Unternehmen muss nicht von Null auf 100 umgesetzt werden. So könnte man mit Teilbereichen anfangen, beispielsweise der Auftragsabwicklung und dann weitere Schritte Stück für Stück umsetzen. Sobald erste Erfolge zu verzeichnen sind, wird die Motivation zunehmen und das digitale Unternehmen vollständiger werden.  Grundsätzlich gilt es, die internen Prozesse digital zu planen und darüber hinaus dann alles, was in Verbindung mit dem Kunden geschieht, ebenfalls digital umzusetzen.

Es gibt eine Reihe an Studien, die aufzeigen, wie gut oder wie schlecht das Handwerk im Bereich der Digitalisierung aufgestellt ist. Immerhin positiv und das merkt man auch in der Praxis, sind Handwerksbetriebe für das Thema Digitalisierung immer offener. Laut einer Studie des Zentralverbandes des Handwerks zusammen mit BitCom, dem Dachverband der Digitalwirtschaft, sind sogar gut zwei Drittel der Betriebe an der Digitalisierung interessiert und sehen diese als Chance. 95 Prozent der 504 Handwerksunternehmen gaben an, über eine Homepage zu verfügen. Allerdings ist die Studie nicht unbedingt aktuell, bezieht sich auf 2017, was für die digitalisierte Welt eine Ewigkeit ist. Auch aspekt hat schon vor einem Jahr über diese Studie berichtet. Zwischenzeitlich hat sich da schon wieder sehr viel getan.

Aber festhalten muss man auch, dass Digitalisierung natürlich nicht Selbstzweck sein kann, sondern immer nur ein Instrument ist, um die Arbeit schneller und effektiver oder aber leichter zu machen. Insofern muss man auch diese Instrumente immer wieder auf ihre Zweckmäßigkeit überprüfen. Derzeit kann man gerade bei Banken, Versicherungen oder Behörden feststellen, dass alles digitalisiert werden muss, um jeden Preis. Ob das sinnvoll und nützlich ist, wird man später feststellen. Momentan geht es vor allem darum, keinen Trend zu verschlafen. Doch das hat nicht mit einer Wirtschaft 4.0 nichts zu tun.

Egal wie: Tatsache ist, dass eine Homepage alleine nicht reicht, um digital profitieren zu können. Erst recht nicht, wenn man nur eine bessere Visitenkarte hat.

Es muss trotz aller Erfolge und guter Beispiele ein Umdenken in den Handwerksbetrieben erfolgen. Ohne Wenn und Aber und besser heute als morgen. Das Handwerk durchlebt aktuell goldene Zeiten. Wäre es da nicht wünschenswert, wenn man produktiver arbeiten könnte, mehr Zeit für das Wesentliche hätte und die Kunden noch zufriedener wären? Dem Unternehmen würde es besser gehen, mehr Umsatz könnte generiert werden, und vielleicht stünden dann auch mal die Wochenenden dem Unternehmer für seine Familie zur Verfügung.