Nicht alles rosig im Rosarium

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Der Ort war Programm. Das Europa-Rosarium in Sangerhausen ist nicht nur weltbekannt, sondern in Europa einzigartig. Hier fand die Nummer 5 der Europagespräche, einer Bürgerdialogreihe zur Zukunft der Europäischen Union und deren Auswirkungen auf unser Bundesland statt.

Mit „Oh happy day“ begrüßte der Chor „Voces Juvenates“ des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Sangerhausen die über achtzig Interessenten und gab damit vielleicht schon einen kleinen Ausblick auf den eigentlichen Hintergrund der Dialogreihe, die Europawahlen in wenigen Wochen.

Wird das ein glücklicher Tag werden für die Europäische Union, für Europa überhaupt? Wird an diesem Tag Großbritannien noch dabei sein, oder wieder dabei sein, oder endgültig aus den Reihen der dann noch 27 Staaten ausgeschieden sein?

Fragen über Fragen, auf die auch die Vertreter der verschiedenen politischen Handlungsebenen nicht immer eindeutig antworten konnten. Aber wichtiger war, mit den Bürgern und ihren Fragen, Sorgen, Wünschen und Problemen ins Gespräch zu kommen. Und das Bedürfnis danach war groß, so groß, dass nicht alle zu Wort kamen. Dafür reichten die dann doch fast zwei Stunden nicht aus.

Kompetente Gesprächspartner waren Dr. Michael Schneider, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Sachsen-Anhalt, Bernhard Schnittger von der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland. Sangerhausens Oberbürgermeister Sven Strauß und als Moderator des Abends Rolf-Dietmar Schmidt, aspekt-Chefredakteur.

Oberbürgermeister Sven Strauß nutzte natürlich die Gelegenheit, in seiner Begrüßung auf die positiven Entwicklungen, die durch europäische Fördermittel in der Stadt Sangerhausen möglich wurden, zu verweisen. Der Ehrlichkeit halber verhehlte er aber auch nicht, dass es noch jede Menge Probleme im ländlichen Raum durch Arbeitsplatzverluste und Bevölkerungsrückgang gebe. Strauß unterstrich die Bedeutung des gemeinsamen Binnenmarktes für die Wirtschaft auch in der Region Mansfeld-Südharz. In der nachfolgenden Diskussion, die durchaus kontrovers verlief, ging es um den BREXIT und seine Auswirkungen auf Europa, um Feinstaubwerte und Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Heiter wurde es, als der Oberbürgermeister auf eine entsprechende Frage verkündete, dass er derzeit keine Fahrverbote für Sangerhausen in der Schublade seines Schreibtischs habe. Trotzdem sie die Frage der Mobilität der Bevölkerung in den ländlichen Regionen, da der öffentliche Verkehr hier bereits eingeschränkt ist, ein drückendes Problem.

Bernhard Schnittger von der EU-Kommission argumentierte: „Die Kfz-Industrie hätte schon längst den Anforderungen an Umwelt- und Klimaschutz durch Forschung und Entwicklung neuer und umweltschonender Antriebe entsprechen können. Um die tatsächliche Gesundheitsgefährdung durch Feinstaub zu ermitteln, ist nun die Leopoldina in Halle beauftragt, die bestehenden europäischen Regelungen zu überprüfen und eventuelle Korrekturen vorzuschlagen.“ Dem war die Frage von Thomas Peckruhn vorausgegangen, der als Betreiber mehrerer Autohäuser in der Region und Präsident des Landesverbandes des Kfz-Gewerbes in Sachsen-Anhalt, mit der EU hart ins Gericht ging. Die Feinstaubgrenzwerte seien willkürlich und würden der deutschen Autowirtschaft schaden. Man müsse mehr für die Infrastruktur tun und dürfe die Mobilität gerade für den ländlichen Raum mit Grenzwerten nicht einschränken.

Staatssekretär Dr. Schneider nutzte das Thema um auf die unterschiedlichen Entwicklungen in den Städten und Ballungszentren und in den ländlichen Räumen hinzuweisen: „Es ist eine wichtige Aufgabe der Regierungen, die ländlichen Gebiete nicht zu vernachlässigen. Diese Disproportionen haben in Großbritannien dazu geführt, dass sich die Bevölkerung in den Städten für den Verbleib in der EU entschieden, aber auf dem Land die Menschen für den Austritt aus der EU stimmten.“

Der Maschinenbauingenieur Günther Wagner wollte wissen: „Wir haben hier in dieser Region 10 000 Arbeitsplätze verloren. Er sei selbst betroffen. „Was macht die Europäische Union für Sangerhausen?“

Oberbürgermeister Strauß blieb allgemein: „Nach der Wende und dem Niedergang des Bergbaus haben Maßnahmen, die aus dem Europäischen Sozialfonds finanziert wurden, viele sozialen Probleme abgefedert. Europäische Mittel wurden für die Neugestaltung der Stadt verwendet. Ich wünsche mir eine wirtschaftlich positive Entwicklung der Region. Dazu vertiefen wir die Zusammenarbeit mit den Hochschulen auch über Ländergrenzen hinweg.“

Auffällig war, dass sich viele junge Leute in den Dialog einbrachten. Studenten, denen die Freizügigkeit innerhalb der EU besonders am Herzen lag, oder ein Schüler aus dem Geschwister-Scholl-Gymnasium, der heftig kritisierte, dass statt parteipolitischen Geplänkels die Sachaufgaben für Europa bestimmend sein sollten.

Weitere Themen  der Diskussion waren die Überalterung der Bevölkerung, die weitere Verwendung von Glyphosat, der weltweite Handel mit Lebensmitteln und die Auswirkungen auf die Landwirtschaft, die Demokratisierung Europas und die Stärkung des Europäischen Parlaments sowie die zukünftige Gestaltung Europas.

Nach fast zwei höchst intensiven Stunden forderte Oberbürgermeister Strauß die Teilnehmer auf: „Prüfen Sie genau was die EU ist, und was Europa für Sie bedeutet. Nutzen Sie die Diskussionsmöglichkeiten, die angeboten werden, um die Fakten kennenzulernen und gehen Sie zur Wahl. Sie bestimmen mit über die Zukunft Europas!“