Die Arbeitswelt der Zukunft: Das Leben in 20 Jahren



„The 20th century is (really) over!” – mit dieser Aussage ruft der slowenische Philosoph Slavoj Zizek dazu auf, in politischen Diskussionen zu bedenken, dass die Welt sich rasant verändert hat und sich auch weiter verändern wird.

Tatsächlich ist dies nicht von der Hand zu weisen. Weltregionen, die bisher von Armut und Gewalt geprägt waren, steigen wirtschaftlich und kulturell auf. Der technische Fortschritt sorgt immer mehr für eine veränderte Arbeits- und Lebenswelt. Neue soziale und technologische Probleme tun sich auf. Und viele der Gesellschaftsmodelle und Ideen, um die noch im letzten Jahrhundert gerungen wurde, scheinen sich abzunutzen.

 

Stanislaw Wirok-Stoletow steckt mitten im Studium „Philosophie-Neurowissenschaften-Kognition“ an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg. Er sieht die Wahl des US-amerikanischen Präsidenten Trump als Chance, die vernünftigen Kräfte des Landes zu erwecken. Foto: aspekt
Stanislaw Wirok-Stoletow steckt mitten im Studium „Philosophie-Neurowissenschaften-Kognition“ an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg. Er sieht die Wahl des US-amerikanischen Präsidenten Trump als Chance, die vernünftigen Kräfte des Landes zu erwecken.
Foto: aspekt

Der Sozialismus in seinen bisherigen Formen ist wirtschaftlich und moralisch nicht mehr haltbar. Aber auch die bisherigen Arten eine marktwirtschaftliche Gesellschaft zu gestalten, sind nicht unantastbar. Der klassische Wohlfahrtsstaat, der stark in das Wirtschaftsgeschehen eingreift und für Ausgleich zwischen Arm und Reich und Chancengleichheit sorgt, droht in dem Wettbewerb der globalisierten Welt unterzugehen und kann seinem Bedeutungsverlust nur wenig entgegensetzen.

 

Und auch der neoliberale Gegenentwurf einer Gesellschaft, in welcher der Staat in erster Linie die Grundrechte seiner Bürger wahrt, während er sie in ihren wirtschaftlichen und sozialen Belangen sich selbst überlässt, ist auf Dauer nicht stabil.

Gleichzeitig stoßen wir im 21. Jahrhundert auf vollkommen neue Probleme. Der Klimawandel bedroht unsere Existenzgrundlage. Die Entwicklung der Informations- und Biotechnologien und der damit verbundenen Gefahren schreitet voran. Der Fortschritt in Industrie und Robotik ist drauf und dran eine Vielzahl an Berufen überflüssig und infolgedessen Menschen arbeitslos zu machen. Der wirtschaftliche Aufschwung Asiens und Lateinamerikas bringt eine veränderte weltpolitische Ordnung hervor. Ressourcenknappheit befeuert viele Konflikte. Und der Erfolg und die Stabilität autoritärer Staaten, wie China oder Singapur, stellt gar den Verlust von Demokratie und Rechtsstaat in Aussicht. Die größte Utopie wäre folglich anzunehmen, dass die Welt im Großen und Ganzen so bleiben kann wie sie derzeit ist, ergänzt um etwas mehr Wohlstand, Sicherheit und Toleranz für Minderheiten, die uns zweifelsohne ein Anliegen sein sollte. Wir können aber auch nicht unmittelbar zurück zu den sozialpolitischen Mitteln des letzten Jahrhunderts. Im Hinblick auf die globale Vernetzung von Wirtschaft, Politik und Kommunikation scheinen viele der Probleme auch nicht lokal lösbar zu sein.

 

Wie die Welt in 20 Jahren aussehen wird, hängt sehr stark davon ab, ob wir dazu in der Lage  sein werden, uns dies einzugestehen. Wenn linke und gemäßigte Politik abgelehnt wird, wenn die klassischen Medien an Bedeutung verlieren, ist dies nicht bloß als Sieg der Rückwärtsgewandten zu deuten, sondern auch als Mangel an Visionen und Problemlösungen.

 

Wir sollten Ereignisse, die die politische Routine durcheinander bringen, wie z.B. den Brexit oder die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA, deshalb auch als Möglichkeit betrachten, dass die vermeintlich fortschrittlichen Kräfte einer Gesellschaft lernen, sich kritisch zu hinterfragen. Die Welt wird sich in den nächsten 20 Jahren kaum weniger verändern, als sie es bereits in den letzten zwei Jahrzehnten getan hat.

Die Umweltproblematik wird sich zuspitzen, es werden Berufe gefragt sein, die nicht von Maschinen oder Robotern erfüllt werden können, die westliche Welt wird an Bedeutung verloren haben, Technologien werden mehr denn je unseren Alltag bestimmen, und vieles überhaupt Unvorhersehbares wird geschehen sein.

 

Ob wir funktionierende Modelle des Zusammenlebens unterschiedlicher sozialen Gruppen haben werden, die uns befähigen, diese wirtschaftlichen, technischen und politischen Veränderungen unter Kontrolle zu bringen, hängt mehr denn je davon ab, ob wir es schaffen, wirkungsvolle soziale und politische Institutionen zu entwerfen. Wir werden es müssen.

 

Stanislaw Wirok-Stoletow