Die Stärke des erfolgreichen Scheiterns



„Don Quichotte“ hat das Magdeburger Puppentheater mit einem Fest für alle Sinne im Sturm erobert. Einen Riesen wollte er besiegen, ohne Erfolg. Stattdessen hat er aber einen Riesenerfolg beim Publikum errungen. Am Sonntag hatte das grandiose Puppenspiel zusammen mit der konzertanten Begleitung der jungen Musiker von KONbarock eine begeistert gefeierte Premiere.

Don Quichote (Sascha Bufe) betritt die Bühne.
Foto: Puppentheater/Döring

„Die Abenteuer des Ritters Don Quichotte und seines treuen Knappen Sancho Panza“ nach Miguel de Cervantes mit der Musik von  Georg Philipp Telemann dürfte Kinder ab acht Jahre ebenso fesseln, wie Junggebliebene mit 80. Die „Telemania 2017“ zum 250. Todestag des Magdeburger Komponisten und Barockmusikers hat es möglich gemacht. Telemann war offenbar vom Ritter von der traurigen Gestalt so inspiriert, dass er ihm eine eigene Suite widmete. In der Aufführung im Puppentheater wird sie von ganz jungen Musikern des Magdeburger Ensembles KONbarock des Konservatoriums „Georg Philipp Telemann“ zum Ausgangspunkt für ein köstliches Bühnenspektakel, das einfach nur Begeisterung hervorrufen kann.

Die Idee zu dieser Zusammenarbeit zwischen Musik- und Puppentheater hatte die Leiterin von KONbarock  Viktoria Malkowski. Zusammen mit Marco Reiß, dem „Telemania 2017“-Intendanten, schaffte sie es, den mit den Vorbereitungen für das alljährliche Hofspektakel voll ausgelasteten Puppentheaterchef Michael Kempchen zu überzeugen. Zum Glück, denn dieses Experiment, von Regisseur Frank A. Engel in kürzester Zeit und unter erschwerten Probebedingungen auf die Bühne gebracht, ist ein wahrer Glücksfall für das Puppentheater, für das Ensemble KONbarock des Magdeburger Konservatoriums und für die „Telemania 2017“.

Die Geschichte des „Don Quichotte“ kennt wohl jeder. Alonso Quijano, überzeugt davon, ein Ritter zu sein, der für das Gute im Menschen, für Gerechtigkeit, für die Ehre und die Wahrheit kämpfen muss, zieht mit dieser Vision als Don Quichotte de la Mancha, der Ritter von der traurigen Gestalt, samt einem lahmen Gaul, dem Streitross Rosinante, und einem Bauern, dem treuen Knappen Sancho Panza, von einem Abenteuer in das andere. Alle enden im Fiasko. Aber die Botschaft, sich für diese Vision einzusetzen, selbst, wenn sie unerfüllbar scheint, ist mehr als 400 Jahre nach Erscheinen der Cervantes-Geschichte nach wie vor aktuell.

Es ist beeindruckend, wie feinfühlig und dabei höchst humorvoll sich die Musik und das Bühnengeschehen gegenseitig ergänzen. Die Zuschauer kommen aus dem Staunen nicht heraus, mit welchem Ideenreichtum Regisseur Engel alle Register eines Cross-Over-Spektakels zieht. Die drei Puppenspieler Franziska Dittrich, Inga Schmidt und Sascha Bufe agieren als menschliche Puppen, dann wieder als Puppenspieler, als Pantomimen reicht oft die Bewegung der Beine, um ganze Szenen zu illustrieren , fungieren als höchst unterhaltsame Erzähler in einem Hörspiel, machen Puppentheater für Puppen, bei dem man vergisst, wer eigentlich Zuschauer und wer Akteur ist, brillieren mit Scherenschnitt-Szenen und vielem anderen mehr. Die Bühnengestaltung von Michael Morche und Ronald Erdmann bietet enorm viele  Gestaltungsmöglichkeiten und Ebenen für ein äußerst temporeiches Spiel mit fließendem Wechsel der unterschiedlichen Darstellungsmöglichkeiten, ohne das jemals ein Bruch entsteht. Ergänzt wird dies durch eine Ausstattung von Kerstin Schmidt, die für ihre spielerische Leichtigkeit besondere Anerkennung verdient.

Einen bemerkenswert eigenständigen Beitrag zu dieser Inszenierung der Sonderklasse bieten die jungen Musiker von KONbarock, die mit ihren Instrumenten nicht nur die tanzartigen Sequenzen der Telemann-Suite außerordentlich lebendig interpretieren, sondern ebenso den rasant wechselnden Szenen wie in einer Filmmusik die nötige Spannung verleihen. Und wenn erforderlich, dann wird in ihren Reihen auch gesungen.

Das Stück „Die Abenteuer des Ritters Don Quichotte und seines treuen Knappen Sancho Panza“ ist ein Appell, die eigenen Träume, die Visionen für ein menschenwürdiges Leben aller Menschen auf der Erde, niemals aufzugeben. Doch an keiner Stelle erscheint ein belehrender Zeigefinger. Stattdessen wird aus dem Lachen über die vermeintliche Naivität und das sich immer wiederholende Scheitern des Ritters von der traurigen Gestalt dessen eigentliche Stärke deutlich: Immer wieder aufzustehen, Misserfolge als Chance zu begreifen. Schade, dass er am Ende dann doch entkräftet vom Tod besiegt wird, aber seine Idee ist unsterblich. Über Cervantes und Telemann hat sie über die Jahrhunderte mit diesem Stück die Gegenwart erreicht.