Nach 425 Jahren das Aus für Deutsche Börse

_______________________________________


Die Börse NYSE Euronext (New York) und die Deutsche Börse (Frankfurt) fusionieren. Dazu erreichten aspekt zahlreiche Anfragen, was das für deutsche Anleger bedeute. Wir baten unseren Börsenexperten Wolfram Polensky deshalb, einige der Fragen zu beantworten.

aspekt: Was passiert da genau?
Wolfram Polensky: Eine Fusion ist der Zusammenschluss zweier etwa gleichwertiger Unternehmen. Im Jahr 2006 fusionierte die NYSE (New York Stock Exchange) mit der Euronext (Aktienbörsen von Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon sowie der Londoner Terminbörse Liffe) zur NYSE Euronext.
Jetzt will die NYSE Euronext mit der Deutschen Börse fusionieren. Beide Börsen sind börsennotierte Unternehmen mit folgenden Kennzahlen

2010 NYSE Euronext Deutsche Börse
Wertpapierkennnummer A0MLCE 581005
Börsenwert Mrd. € 7 10
Umsatz Mrd. € 3,3 2,1
Gewinn Mio. € 436 395
Gewinn/Aktie € 1,6 2
KGV 16 14
Dividendenrendite erw. % 4% 4%

Beide Börsen sind ungefähr gleichwertig, nur die Deutsche Börse arbeitet wirtschaftlicher und hat einen größeren Marktwert. Durch Zusammenschluss der beiden Börsen mit den dazugehörigen Terminbörsen Liffe (London), 50 Prozent der Eurex (Zürich, Frankfurt) und den Optionsbörsen ISE(NY) und der AMEX (NY) entsteht der weltgrößte Handelsplatz für Aktien und Derivate.
Anders als bei der Schweizer Börse SIX, die eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft ist und zu 80 Prozent den Schweizer Banken gehört, befinden sich bereits fast zwei Drittel der börsennotierten Aktien der Deutschen Börse im Besitz einer angloamerikanischen Aktionärsmehrheit.
Die NYSE Euronext, die 2006 als amerikanisch-europäisches Unternehmen entstand, befindet sich heute ebenfalls fest in US-amerikanischer Hand.

aspekt: Was bedeutet eine solche Fusion?
Wolfram Polensky: Eine Fusion bedeutet die Aufgabe der Selbständigkeit der Deutschen Börse, die letztes Jahr ihr 425jähriges Bestehen feierte. Nach dem Zusammenschluss werden die anglo-amerikanischen Aktionäre das Sagen haben. Wohlgemerkt, die Deutsche Börse bringt das meiste Kapital, die bessere Handelsplattform XETRA und mit 50 Prozent der Eurex die größte Terminbörse der Welt in die Fusion ein. Und was bekommt Deutschland dafür? Die bessere Xetra-Handelsplattform soll der schlechteren amerikanischen weichen, das Rechenzentrum, und damit das IT-Knowhow, wird nach Paris verlagert, der Chef sitzt in New York und die Gewinne werden komplett im Rahmen eines Beherrschungsvertrages an eine Holding in den Niederlanden abgeführt. Der dann aus den USA gesteuerte Kassamarkt soll in Frankfurt bleiben, über den Terminmarkt wird noch disponiert. Da durch die Fusion 300 Millionen Euro eingespart werden sollen, muss auch ein Teil der 3500 Mitarbeiter der Deutschen Börse um den Arbeitsplatz bangen.

aspekt: Wem bringt die Fusion Vorteile?
Wolfram Polensky: Vorteile haben die Aktionäre der NYSE Euronext. Darum stieg der NYSE Euronext-Kurs in dem Monat der Ankündigung der Fusion um 14 Prozent und der Kurs der Deutschen Börse fiel im gleichen Zeitraum um neun Prozent. Die Kunden haben ebenfalls einen Vorteil durch höhere Liquidität und geringere Spreads (Gebühr zwischen Kauf und Verkauf der Aktien), wenn die Einsparungen an den Kunden und nicht an die Aktionäre weitergegeben werden.

aspekt: Verlieren nationale Börsen an Bedeutung?
Wolfram Polensky: Die Deutsche Börse wird an Bedeutung verlieren, da das Geschäft aus der USA gesteuert und das Geschäft internationaler wird.
Die kleineren regionalen Börsen, wie Stuttgart, München und Düsseldorf, werden von dem Zusammenschluss profitieren, da die neue Börse sich verstärkt auf internationale liquide Geschäfte konzentriert und damit die Nischen für die Regionalbörsen größer werden.

aspekt: Werden vor dem Hintergrund des weltweiten Eigenhandels von Aktien durch die Großbanken eigenständige Börsen überhaupt noch benötigt?
Wolfram Polensky: Die außerbörslichen Handelsplattformen, wie Chi-X (Europa) und Bats(USA), die seit der Deregulierung (1997) von Investmentbanken betrieben werden, sind eine große Konkurrenz zu den offiziellen Börsen. Sie sind aber kaum transparent und nur für den Bankenhandel untereinander geeignet.
Der Privatinvestor ist nach wie vor auf die Börsen angewiesen, die auch die Regeln für einen transparenten Handel schaffen, garantieren und überwachen.

aspekt: Hat eine solche Fusion (NYSE und Frankfurt) Einflüsse auf die Abbildung des DAX, des deutschen Aktienindexes?
Wolfram Polensky: Nein. Der DAX ist ein Produkt der Deutschen Börse, die die Zusammensetzung des Indexes der den deutschen Aktienmarkt nach festgelegten Regeln abbildet.