Aus „Traum des Lichts“ wurde Theatertraum

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Minutenlange stehende Ovationen, Bravorufe und ein Vorhang nach dem anderen – die Premiere von „Sunset Boulevard“, dem Musical von Andrew Lloyd Webber nach dem Film von Billy Wilder am Magdeburger Opernhaus war ein grandioser Erfolg. Wieder einer, muss man sagen, denn mit Musicals hat das Magdeburger Theater offenbar ein glückliches Händchen. Inzwischen schaut man sogar von der Themse an die Elbe, wenn hier eine neue Inszenierung auf dem Plan steht.

 

Natürlich gebührt der Erfolg in erster Linie den Protagonisten des Stückes, wie der alternden Stummfilm-Diva Norma Desmond, atemberaubend gesungen und gespielt von Marianne Larsen. An ihrer Seite ebenso ausdrucksvoll der erfolglose Drehbuchautor Joe Gillis (Nokolaj Alexander Brucker), der sich im Spinnennetz der Diva verfängt, ihr Liebhaber wird und schließlich mit dem Leben bezahlen muss. Mit bezwingendem Schmerz spielt und singt der sklavisch anhängliche Ex-Ehemann, Regisseur und Butler des Stummfilmstars Norbert Lamia die Rolle des Max von Mayerling und schließlich bezaubert die hinreißende Milica Jovanovic als die verschmäht Liebende Drehbuch-Dramaturgin Betty Schaefer das Publikum. Diese vier Sänger und Schauspieler sind die tragenden Säulen dieses Erfolges, denn sie verstehen es hervorragend, die lauten und leisen Szenen des Musicals, die heiteren und tragischen Momente, die ganze Traurigkeit der Filmszene Hollywoods, der Welt der „Träume aus Licht“, in die Träume des Theaters umzusetzen. Vielleicht liegt ein Erfolgsgeheimnis dieser Inszenierung gerade darin, dass vieles aus dem Filmgeschehen auch für das Theater gilt. Auch hier gibt es Divas, auch hier hat man Angst vor dem Vergessen durch das Publikum, auch hier ist man vielleicht süchtig nach Erfolg, Anerkennung und Ruhm. Und genau das sind die Dinge, die Billy Wilder zu seinem Film inspirierten, der als Klassiker inzwischen rund 60 Jahre auf dem Buckel hat. Damals war es das aufkommende Fernsehen, dass der Filmindustrie in Hollywood solche Angst machte, wie seinerzeit das Aufkommen des Tonfilms den Stummfilmstars. Und so spiegelte der Wilder-Film mit seinem Sujet genau die Ängste seiner Zeit wider. Freunde bei den Filmbossen hat er sich damit nicht gemacht, aber das war ihm egal. Andrew Lloyd Webber, damals ein junger Komponist, der gerade seinen ersten Erfolg feierte, begeisterte der Film. Er erkannte sofort, dass der Stoff für ein Musical wie geschaffen war. Aber es bedurfte noch Jahrzehnte und etlicher Streits um die Rechte, bis es soweit war.

Erst 1993 schaffte es das Stück zur Uraufführung in London, wo es noch heute läuft, und weitere 17 Jahre brauchte es, um in Magdeburg anzukommen. Aber das Warten hat sich gelohnt, wenngleich Billy Wilder stets meinte, dies sei ein Stoff für eine Oper und nicht für ein Musical. Streng genommen hat er Recht, wenngleich Webber genau diesen Spagat, diesen musikalischen Spannungsbogen, meisterlich bewältigt. Das gilt übrigens auch für die musikalische Leitung von Magdeburgs „Sunset Boulevard“, die in den bewährten Händen von Rainer Roos lag. Zusammen mit Regisseur Stefan Huber ist eine Inszenierung entstanden, in der Musik und Spiel auf kongeniale Weise verschmolzen. Diese Balance der künstlerischen Ausdrucksmittel wurde durch Michael S. Kraus erneut mit einer Bühnengestaltung ergänzt, die einen Sonderbeifall verdient. Das gilt übrigens auch für die phantastischen Kostüme von Susanne Hubrich und den an fast allen großen Erfolgen beteiligten Chormitgliedern.

Das Magdeburger Opernhaus hat mit „Sunset Boulevard“ erneut einen Paukenschlag in der musikalischen Welt des Musicals gelandet. Einst sollte die Stadt sogar mal eine Musicalakademie samt eigener Bühne erhalten. Daraus ist nichts geworden. Die Musicalinszenierungen der letzten Jahre aber haben dafür reichlich entschädigt.