Eine “Luftpumpe” tief unter der Erde

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Wind, Sonne, Biogas, Pumpspeicherwerke und Blockkraft-Heizwerke. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus den Möglichkeiten, erneuerbare Energie zu erzeugen. Sachsen-Anhalt hat schon vor Jahren mit aller Kraft auf diese Möglichkeiten gesetzt und beachtliche Kapazitäten geschaffen.

Über die genauen Zahlen streiten sich die Fachleute, aber man kann davon ausgehen, dass ein reichliches Drittel des verbrauchten Stroms in Sachsen-Anhalt aus erneuerbaren Energien gedeckt wird. Damit hat das Bundesland das von der Europäischen Union gesetzte Ziel von 12, 5 Prozent bis zum Vorjahr schon seit langem übererfüllt.
Den übergroßen Anteil daran hat die Windenergie. Schon seit Jahren schießen die Windmühlen, nicht immer zur Freude der Naturschützer, wie Pilze aus dem Boden. Ganze Windparks sind auf dem flachen Lande entstanden, und bieten bei einer frischer Brise rund 80 Prozent der Energiebilanz der Erneuerbaren.
Wenn der Wind weht, aber der weht nicht immer. Diese Lücken bereiten den Energieversorgern, je größer der Anteil an der Gesamtstromversorgung durch Windenergie ist, immer mehr Sorgen.
Zum einen muss zu jedem Zeitpunkt, also auch, wenn kein Wind weht, die sogenannte Grundlast erhalten werden, damit immer an der Steckdose auch Strom anliegt. Das ist nicht einfach, denn Kraftwerke lassen sich nicht nach Belieben hoch- oder runterregeln. Zum anderen gibt es eine Abnahmepflicht für die Energieversorger, sogar einen Vorrang für die erneuerbaren Energien gegenüber der herkömmlichen Stromerzeugung. So kommt es denn, dass, wenn sich alle Windräder kräftig drehen, zuviel Strom in die Leitungen fließt, der dann, wenn auch nicht ganz offiziell, kostenlos in andere europäische Netze „gedrückt“ wird. Hauptsache man wird ihn los. Die Kosten für die Erzeugung trägt der Verbraucher, für die umweltpolitische Förderung jeder Kilowattstunde auch der Steuerzahler.
Und noch eins stellt derzeit für die erneuerbaren Energien ein Problem dar. Und das sind die Kapazitäten der Überlandleitungen. Bei großen Strommengen, wie sie der Windstrom immer mal wieder hervorbringt, sind sie an der Grenze der Aufnahmefähigkeit. Die Folge ist eine Überhitzung der Leitungen, was wiederum verhindert werden muss.
Es sind also jede Menge Fragen mit dem weiteren Ausbau der regenerativen Energien zu lösen. Manche brauchen längere Zeiträume, an anderen, wie dem Energiemanagement bei Windparks, wird schon seit längerem gearbeitet.
Ein Kernproblem sind die Schwankungen bei der Energieerzeugung. Sie bedingen ein effizientes Speichersystem der Energie, damit in Zeiten großer Energiemengen gespeichert werden kann, um sie dann bei Mangelzeiten abzurufen. Batterien sind da kaum eine Lösung, Pumpspeicherwerke schon eher. Die Energieversorger und die in dieser Branche tätige Industrie suchen krampfhaft nach einer Lösung für das Speicherproblem.
RWE Power hat nun ein Modell weiterentwickelt, das bereits erprobt wurde, aber wegen des recht geringen Wirkungsgrades über die Erprobung nicht hinausgekommen ist. Nun hat man den Wirkungsgrad deutlich verbessert, so dass ADELE, so der Kurzname für den sperrigen „Adiabater Druckluftspeicher für die Elektrizitätsversorgung“, nun in Staßfurt gebaut werden soll.
RWE Power treibt hierzu gemeinsam mit den Partnern General Electric, Züblin und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt das Projekt voran. Parallel zum Entwicklungsprogramm wurde nun ein wichtiger Meilenstein erreicht: Ein Salzstock in Staßfurt ist die vorrangige Standortoption für die erste Demonstrationsanlage.
RWE hat umfassende Standortanalysen vorgenommen. Das Ergebnis: Staßfurt ist für das geplante Druckluftspeicherkraftwerk besonders gut geeignet. „Wir als Staßfurter freuen uns darüber, dass die Wahl auf Staßfurt fiel. Seit Jahren gibt es nur positive Erfahrungen in der Nachnutzung der Kavernen. Die Zusammenarbeit mit RWE ist uns sehr wichtig und wird auf diese Weise noch ausgebaut. Dass unser Sodawerk ebenfalls davon partizipiert, macht das Projekt um so wichtiger“, ist Oberbürgermeister René Zok überzeugt.
Die Struktur des Salzstocks ist durch die Nutzung als Gasspeicher und zur Solegewinnung sehr gut bekannt. Eine vorhandene Kaverne könnte nach entsprechender Anpassung für die Aufnahme der Druckluft genutzt werden. Zudem liegt Staßfurt in einer Region mit einer Vielzahl von Windparks; in Zeiten niedriger Stromnachfrage kann überschüssige Energie zur Befüllung des Speichers genutzt werden. Das funktioniert, indem zunächst Luft komprimiert wird. Die dabei entstehende Wärme wird zwischengespeichert und die Luft dann in unterirdische Kavernen gepresst. Steigt der Strombedarf wieder, kann die Druckluft unter gleichzeitiger Rückgewinnung der Wärme zur Stromerzeugung in einer Turbine genutzt werden.
„Wir brauchen intelligente Lösungen, um Strom sicher, effizient und in großen Mengen zu speichern. ADELE soll ein innovativer Baustein für eine auch in der Zukunft sichere Stromversorgung sein“, erläutert Professor Jäger, im Vorstand der RWE Power zuständig für den Bereich Forschung und Entwicklung.
„Die Kavernen im Staßfurter Salzstock bieten beste Bedingungen für dieses hoch interessante Forschungsprojekt. Der Speicher kann für die Windenergie in der Region ein wichtiger Partner werden und wird in der Bauzeit wie auch im nachfolgenden Betrieb zu einem Zuwachs an Beschäftigung in unserer Region führen“, ergänzt Ulrich Eichhorn, Geschäftsführer des Sodawerk Staßfurt. Heute wird der Salzstock vom Sodawerk Staßfurt zur Solegewinnung und von der RWE Gasspeicher GmbH zur Erdgasspeicherung genutzt; diese Nutzungen werden von ADELE nicht berührt.
Die erste Demonstrationsanlage soll ab 2013 errichtet werden – mit einer Speicherkapazität von bis zu 360 Megawattstunden und einer elektrischen Leistung von bis zu 90 Megawatt. So kann ADELE in kürzester Zeit ohne weitere fossile Hilfsenergien und damit emissionsfrei Ersatzkapazität bereitstellen und über etwa vier Stunden rund 50 Windräder ersetzen, wie sie in der Region zum Einsatz kommen. Das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, das das Bundeswirtschafts¬ministerium fördert und für das insgesamt zehn Millionen Euro bereitstehen, soll bis Ende 2012 die Technologie entwickelt haben. Eine Erweiterung der Demonstrationsanlage nach erfolgreichem Betrieb ist möglich.

Hintergrund: Im Bundesdurchschnitt werden bereits heute 16 Prozent des Stroms aus Wind, Wasser oder Biomasse gewonnen. Dabei nehmen der Norden Deutschlands und insbesondere die ostdeutschen Bundesländer eine Spitzenposition ein, während der Süden ehe zurückhaltend agiert.
Die Bundesregierung hat ein Energiekonzept erarbeitet, nach dem der Anteil der Stromerzeugung aus regenerativen Energien bis 2020 auf 35 Prozent steigen soll. Für 2050 sollen es sogar 80 Prozent sein. Das bedeutet nicht nur einen kompletten Umbau der Stromnetze, sondern ist auch eine Herausforderung für die Speichermöglichkeiten. Der Suche nach technischen Möglichkeiten dient auch die Erprobung des unterirdischen Druckluftverfahrens.