Frauenmangel auf dem flachen Land



Die demografische Entwicklung in Sachsen-Anhalt verläuft nicht so dramatisch, wie ursprünglich angenommen. Das ist das Fazit der 6. Regionalisierten Bevölkerungsprognose. Danach zeichne sich ein positiver Trend ab, der so schnell nicht zu erwarten war, so  Sachsen-Anhalts Landesentwicklungsminister Thomas Webel.

„Grund zu Euphorie besteht nicht, aber wir sind auf dem richtigen Weg und dürfen nicht in unseren Anstrengungen nachlassen, den demografischen Wandel aktiv zu gestalten“, betonte er.
Nach Auskunft von Webel haben sich vor allem die Wanderungszahlen deutlich erholt. „Es gibt wieder mehr Zuzüge nach Sachsen-Anhalt“, betonte der Minister. Habe der Wanderungssaldo im Jahr 2013 noch mit 848 Personen im Minus gelegen, so sei er ein Jahr später auf plus 4.269 Personen angestiegen und 2015 sogar auf 24 500 Personen. Damit sinke die Bevölkerungszahl nicht mehr so schnell wie vorausberechnet. „Sachsen-Anhalt entwickelt sich nach Zeiten starker Abwanderung kontinuierlich zum Zuwanderungsland“, sagte Webel. Sei es, weil die Menschen hier ein zunehmend besseres Angebot an Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen vorfänden oder weil sie hier Zuflucht vor Krieg und Elend suchten.

Wenn sich dieser Trend fortsetzt, werden im Jahr 2030 noch etwa zwei Millionen Menschen in Sachsen-Anhalt leben. Nach den Berechnungen der 5. Regionalisierten Bevölkerungsprognose sollte diese Grenze bereits sieben Jahre früher, im Jahr 2023, unterschritten werden. Neben den positiven Wanderungszahlen haben auch leicht steigende Geburtenzahlen und die zunehmende Lebenserwartung zu der günstigeren Entwicklung beigetragen.

Der Rückgang der Bevölkerungszahlen wird ausschließlich durch das Geburtendefizit bewirkt. Das heißt, es werden weniger Kinder geboren als Sterbefälle registriert werden. Damit verlangsamt sich zwar der Bevölkerungsrückgang, aber die anhaltende Schrumpfung und Alterung hält an.

Lediglich die beiden Großstädte können in den nächsten 15 Jahren mit stabilen bis leicht wachsenden Bevölkerungszahlen rechnen. Der strukturschwache ländliche Raum wird dagegen voraussichtlich weiter schrumpfen und auch rasch altern. Für die künftige demografische Entwicklung ist entscheidend, dass das Land viele Jahre lang genau die Bevölkerungsgruppen verloren hat, die es für eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung benötigt: insbesondere junge Erwachsene und Frauen im gebärfähigen Alter.

Durch die überproportionale Abwanderung junger Frauen kam es in der Folge regional zu teils erheblichen „Frauendefiziten“ bzw. „Männerüberschüssen“ in der Altersgruppe der 18-35 Jährigen. Diese Ungleichgewichte zeigen sich vor allem zwischen ländlichen Gebieten und den städtischen Zentren. Während insbesondere die Oberzentren Magdeburg und Halle eine große Anziehungskraft auf junge Frauen ausüben, ist in dünn besiedelten, peripheren ländlichen Räumen ein „Frauenmangel“ zu verzeichnen. Die jungen Männer, die in den wirtschaftsschwachen Regionen zurückbleiben, sind auf dem Arbeitsmarkt, in der Bildung und bei der Partnerfindung benachteiligt.

Dass diese Entwicklung kein neues Phänomen für die Regionalentwicklung in Sachsen-Anhalt darstellt, zeigt sich u.a. darin, dass das Land bereits in den Jahren 2010-2012 in einem europäischen Verbundprojekt mit Partnern aus Skandinavien und Osteuropa diese Situation wissenschaftlich analysierte und daraus Handlungsempfehlungen ableitete. So ist ein EU-Projekt beantragt worden, das explizit die Gruppe junger Männer auf dem Lande in den Fokus stellen möchte.