Fulminantes Broadway-Feeling an der Elbe

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Magdeburg ist eine Musicalstadt. Wenn es dazu noch eines Beweises bedurfte – die grandiose Premiere von „Crazy for You – Das neue Gershwin-Musical“ im Opernhaus war einer. Minutenlange stehende Ovationen und Begeisterungsrufe des Publikums waren der Dank für drei Stunden purer Broadway-Atmosphäre an der Elbe.
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Bei den Musicalproduktionen des Magdeburger Theaters in den letzten Jahren – sei es mit den Open-Air-Inszenierungen auf dem Domplatz oder den spektakulären Aufführungen im Haus – reiht sich ein Erfolg an den anderen. Die Erwartungshaltung des Publikums ist also hoch. Trotzdem den Mut zu besitzen, Neues zu wagen, die bewährten Erfolgspfade zu verlassen und Raum für neue Ideen, andere Auffassungen einzuräumen, das allein ist schon Anerkennung wert.
Doch der Mut hat sich gelohnt. Der Magdeburger Erik Petersen (Jahrgang 1987) stand vor zehn Jahren noch als Statist auf der Bühne des Theaters seiner Heimatstadt. Beim umjubelten Open-Air-Musical „Les Miserables“ 2013 wirkte er an der Regie mit, um nun mit „Crazy for You“ als seiner ersten Inszenierung in Magdeburg ein fulminantes Debüt abzuliefern. Es ist eine wahre Freude, dieses Feuerwerk für alle Sinne zu erleben, in dem gespielt, gesungen, getanzt und gesteppt wird. Das Musical, das auf „Girl Crazy“ von Gershwin zurückgeht und von Ken Ludwig vor 25 Jahren als Neufassung arrangiert wurde, wird von vielen als eigenes Musical angesehen. Lediglich die Gershwin-Musik ist Original, wobei auch hier bei etlichen Songs auf andere Arbeiten des Komponisten zurückgegriffen wurde.
„Crazy for You“ ist ein Tanzmusical mit zahllosen Irrungen und Wirrungen, voller unerwarteter Wendungen, sehr viel Humor, Liebe, Täuschung, Enttäuschung und schließlich einem Happy End. Die Handlung ist eher trivial und hat auch nur noch sehr wenig Gemeinsamkeit mit dem „Girl Crazy“. Der Bankierssohn Bobby Child möchte auf die Theaterbühne, was ihm verwehrt wird. Stattdessen soll er ein ehemaliges Theater in der Wüste von Nevada, dessen Hypothekenschulden nicht mehr bezahlt werden, abwickeln. Dort angekommen, verliebt er sich in die Tochter des verschuldeten Theaterbesitzers Polly Baker und beschließt dort eine Show zu inszenieren. Weil er als Bankier aber die Liebe seiner Angebeteten nicht erringen kann, verkleidet er sich als großer Broadway-Produzent. Alles scheint gut, aber dann fliegt der Schwindel auf und bis zum Happy End gibt es noch jede Menge Verwicklungen.
Bettina Mönch als Polly Baker und Dirk Weiler als Bobby Child sind die Protagonisten in diesem Stück und gehören beide zu den großen Namen in der Musicalszene. Die Münchnerin Bettina Mönch singt allein im ersten Halbjahr neben der Rolle in Magdeburg die „Evita“ in der Oper Graz, die Fiona in „Shrek“ in Wien und die Lina Lamont in „Singin´in the Rain“ in München.
Neben seiner Arbeit als Schauspieler und Sänger auf der Bühne arbeitet Dirk Weiler auch als Steptanz-Lehrer, Regisseur, Choreograph und Liedinterpretations-Lehrer, unter anderem in New York, in Essen, Leipzig, in New Jersey, North Carolina, dem Brooklyn College, dem Nomadic College und dem Hampstead Theatre in London.
Es ist diese großartige Mischung von anerkannten Stars der Musicalwelt mit einem Opernchor, der in seiner Vielfalt und Spielfreude seinesgleichen sucht sowie einem Ballett, das es geschafft hat, in sehr kurzer Zeit das Steppen zu lernen. Nicht zu vergessen die festen Ensemblemitglieder des Theaters Magdeburg, wie Markus Liske als Bela Zangler, Wolfgang Klose als Pollys Vater, der aus dem Schauspiel stammende Axel Strothmann als Saloon-Besitzer, Gabriele Stoppel-Bachmann hervorragend als Bobbys Mutter oder Regina Most und Thomas Matz als Reisebeschreibungsautoren. Eine leider viel zu kurze Glanzrolle bot Sylvia Rena Ziegler, als sie als „böses Mädchen“ den Saloon-Besitzer im Sturm erobert.
Kati Farkas, die für die Choreografie verantwortlich zeichnete, hat mit ihrer Einstudierung perfekt den Eindruck erweckt, dass man es hier mit einem tanzenden Chor und einem singenden Ballett zu tun hatte. In den großartigen Tanz- und Gesangsszenen fügten sich die Künstler dabei in ein Bühnenbild von Anja Lichtenegger ein, das in seiner Vielfalt und den enorm schnellen Wechseln die Geschwindigkeit der Handlung aufnahm und unterstützte. Das galt übrigens auch für die Musiker unter der Leitung von Hermann Dukek, die zwar nicht die swingende Leichtigkeit einer Big-Band aus dem Orchestergraben erschallen ließen, aber dennoch mit der eher ungewohnten Instrumentierung bestens zurechtkamen.
Die höchst opulente Ausstattung mit sehr viel Glitter und Glimmer (Dagmar Morell) kann am New Yorker Broadway kaum üppiger ausfallen und dürfte auch bei den kommenden Vorstellungen ein volle Haus garantieren. Immerhin liegt das Magdeburger Theater am Breiten Weg, was letztlich übersetzt auch nichts anderes als ein Broadway ist.