Im Foyer des Magdeburger Kabaretts „Zwickmühle“ prangt auf einem Ehrenplatz eine gewichtige Auszeichnung. Es ist eine aus einem alten Fahrradschlauch geflochtene nachempfundene kleine Gurke, auch Cornichon genannt. Diese hohe Auszeichnung in kabarettgemäßer Ausführung ist nichts Geringeres als der nationale Schweizer Kabarettpreis „Cornichon“, den die Truppe um Hans-Günther Pölitz 2003 vom Land des Käses, des Geldes und der Berge verliehen bekam. Und wie das in diesem Kleinkunstgenre nicht anders sein kann, steckt dahinter eine skurrile Geschichte.
aspekt (gespannt aufmerksam): Was machen Zwickmüller in den Schweizer Bergen?
Hans-Günther Pölitz (fast unbewegt): Kabarett.
aspekt (leicht irritiert): Ja und?
Hans-Günther Pölitz (noch immer fast unbewegt): Was und?
aspekt (abgekühlt): Wir haben den Silberberg und den Kroatenhügel. Müssen es immer gleich die Alpen sein, und verstehen die überhaupt den leicht sächsischen Dialekt?
Hans-Günther Pölitz (nur scheinbar leicht desinteressiert): Das ist eine lange Geschichte, die 20 Jahre zurückliegt.
aspekt (erleichtert): Na, dann erzählen sie doch mal.
Hans-Günther Pölitz (hat offenbar nur auf die Gelegenheit gewartet, sprudelnd): An einem Novembertag 1989 stand ein älterer Herr mit einem Gipsbein aus Braunschweig, oder besser ein älterer Herr aus Braunschweig mit einem Gipsbein, im Büro der „Kugelblitze“, deren Direktor ich damals war. Er kam vom Aktionstheater Braunschweig und wollte kulturelle Kontakte in den Osten knüpfen. Das war damals so. Ein Jahr später lud er uns nach Griechenland ein, eine Tour mit einem alten VW-Bus quer durch Europa. Davon träumte damals jeder Ossi. Die Reise führte unter anderem durch die Schweiz, genauer den Ort Olten. Dort gibt es ebenfalls ein Aktionstheater, zu dem Ali Schulze, so hieß der Herr mit dem Gipsbein, guten Kontakt hatte. In Olten bat man uns, ein Programm zu improvisieren. Mit einem Kassettenrekorder, wer so etwas noch kennt, haben wir die musikalische Begleitung organisiert, aber die Vorstellung war trotzdem ein voller Erfolg.
aspekt (neugierig): Und die haben sie verstanden?
Hans-Günther Pölitz (leicht weltmännisch): Die Schweizer sind ein polyglottes Völkchen, (Anmerkung der Redaktion, wir haben nachgeschlagen. Polyglott (von griechisch „poly“ = viele und „glotta“ = Zunge, Sprache) nennt man eine Person, die viele Fremdsprachen spricht), die verstehen viele Sprachen. Da muss man nicht jeden Spielfilm synchronisieren.
aspekt (leicht entschuldigend ob der Unwissenheit): Aber die Themen! Kommen denn da die Lacher an der richtigen Stelle?
Hans-Günther Pölitz (temperamentvoll): Haben sie ein Ahnung! Die Schweizer wissen ganz genau in der deutschen Politik Bescheid. Sie sehen unser Fernsehen, davor schützen nicht mal die hohen Berge. Also wissen sie auch, wo es bei der Bahn oder an anderen Stellen klemmt.
aspekt (den Gesprächsfaden lenkend): Wir sind von der Geschichte zu den Anfängen abgekommen. Wie ging es nun weiter mit Olten?
Hans-Günther Pölitz: (wieder sprudelnd): Na ganz einfach. Seit unserer Improvisation haben sie uns immer wieder eingeladen, zwischendurch ein Ensemblemitglied (weiblich) weggeheiratet, aber wir fahren nach wie vor mit großer Freude dorthin. Im nächsten Jahr übrigens zum 20. Male (20. bis 22. Januar 2012). Und unsere Vorstellungen sind immer ausverkauft.
aspekt (nachdenklich, wegen des Verlassens der deutschen Gefilde von agilen Frauen): Aber sie hatten trotzdem neben Klaus Schaefer eine Frau dabei, bei diesem Gastspiel erneut Marion Bach. Haben sie keine Angst der erneuten künstlerischen Dezimierung?
Hans-Günther Pölitz (kühl): Nein.
aspekt (verwirrt): Ich danke für das Gespräch.
Nachtrag: Wem die Reise in die Schweiz zu anstrengend ist, der kann sich die heimischen Programme der „Zwickmühle“ auch auf DVD ansehen. Zu haben sind sie in der Magdeburger Leiterstraße, dem Domizil der Zwickmühle, oder natürlich über www.magdeburger-zwickmuehle.com .