Ein galaktisches Schnäppchen

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„Guck mal Mama“, ruft der Knirps auf dem Spielplatz und wirft eine Handvoll klitzekleiner Steinchen aus dem Sandkasten in die Luft. Die Mutter lächelt, nimmt kaum Notiz von dem Vorfall. Was aber, wenn ihr Sohn mit dieser Aktion Millionen Dollar in die Luft geschleudert hätte? Vermutlich wäre sie nicht so gelassen geblieben.

Dabei ist das gar nicht so unwahrscheinlich, wenn man daran glauben würde, dass diese Steinchen vom Mond stammten, was aber wiederum durchaus möglich ist. Drei kleine Steinchen, die zusammen nicht einmal ein Gramm wiegen, wurden im Auktionshaus Sotheby’s in New York als die drei einzigen Mondsteine in privatem Besitz versteigert.

855 000 Dollar brachten sie ein. Die drei Steinchen haben die Größe von Reiskörnern. Sie stammen von der unbemannten sowjetischen Luna-16-Mission aus dem Jahr 1970 und waren ein Geschenk für die Witwe des russischen Weltraumpioniers Sergej Pawlowitsch Koroljow.

Der Mann war ein Genie, wurde aber von Stalin nach einer Verleumdung zum Goldgraben in einen Gulag verbannt. Dort holte ihn kein geringerer als Tupolew heraus, der zwar auch verbannt war, aber als Spezialist in der Haft als Konstrukteur arbeiten durfte.

Koroljows Maxime war stets: „Kompliziert bauen kann jeder. Die Einfachheit bestimmt unser Tun.“

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs reiste Sergej Koroljow durch Deutschland, um die Reste der Raketenproduktion des Dritten Reichs zu inspizieren. In Cuxhaven wohnte er dem Versuchsstart einer deutschen V2-Rakete durch die Briten bei – und erkannte sofort etliche Schwächen der deutschen Konstruktion. Er wandte sich der Entwicklung eigener Raketen zu und baute im Laufe der Jahre die inzwischen legendäre Sojus. Am 12. April 1961 trug diese Rakete Juri Gagarin ins All – er kreiste als erster Mensch einmal um die Erde. Die Sojus wurde seitdem zwar ein wenig weiterentwickelt, aber noch heute fliegen die Kosmonauten zur Internationalen Raumstation mit Koroljows Rakete – schon fast zweitausend Mal ist eine Sojus ins All gestartet.

Das Leben in Russland ist für eine Witwe nicht einfach, auch wenn sie die eines Raumfahrtpioniers wie Koroljow ist. Also hat sie die Steinchen schon vor vielen Jahren für eine knappe halbe Million Dollar an einen Amerikaner über eine Versteigerung verkauft. Der wiederum brachte sie nun an einen neuen, unbekannten Besitzer. Der Preis hat sich annähernd verdoppelt.

Koroljow wäre es wohl recht gewesen, denn sein Land hat ihn immer ziemlich schlecht behandelt. Sein Name tauchte nie auf. Er war der Kopf der sowjetrussischen Raumfahrt, den niemand kannte. Als mit dem Sputnik der große Triumph der UdSSR der Wettlauf um die Erfolge im All eröffnet wurde, fragte man den Kreml-Chef Chruschtschow, wer denn der Konstrukteur der Rakete gewesen sei, den man für den Nobelpreis vorgeschlagen habe. Die Antwort hat den genialen Konstrukteur hart getroffen. Chruschtschow sagte, das große russische Volk haben diese Leistung vollbracht. Das soll ihn sehr geärgert haben.

Kein Wunder also, dass es sogar eine, allerdings unbestätigte, Geschichte gibt, die wohl dem undankbaren Verhalten seines Landes ihm gegenüber ihren Ursprung hat. Danach soll, nachdem man sich darauf geeinigt hatte, der Witwe ein paar kleine Steinchen vom Mond als Dank zu übereignen, ein gewitzter Funktionär, der mit der Übergabe betraut war, die Steinchen auf einem Spielplatz aufgelesen habe. Ob die echten Steinchen eventuell in seiner Tasche gelandet sind, weiß niemand, ob die Geschichte stimmt, auch nicht.

Immerhin unterscheiden sich Mondsteinchen von irdischer Lava kaum, außer, dass es sehr viel älter ist, als alles, was man bisher auf der Erde untersucht hat. Dabei gibt es eine ganze Menge von Mondmaterial auf der Erde, das entweder als Meteor selbst den Weg gefunden hat, oder aber von Mondmissionen mitgebracht wurde. Diese Proben von Mondgestein befinden sich allerdings im Besitz der Behörden in Russland und den USA.

Während der sechs Apollo-Exkursionen wurden 2415 Proben mit einem Gesamtgewicht von 382 Kilo gesammelt. Die drei Luna-Sonden brachten weitere 326 Gramm Material zurück. Mehr als 90 Mondmeteoriten wurden bis 2006 auf der Erde gefunden, insgesamt mehr als 30 Kilogramm Material.

Offiziell heißt es, der Wert von Mondgestein sei nicht ermittelbar. Nach der Auktion in New York weiß man nun, dass 0,6 Gramm des Materials mehr als 800 000 Dollar wert sind.

Big Muley heißt die bisher schwerste Mondgesteinsprobe mit 11,7 Kilogramm, die von einer Apollo-Mission mit auf die Erde gebracht wurde. Geht man davon aus, dass ein Gramm Mondgestein derzeit etwa eine Million Dollar wert ist, dann dürfte dieser Brocken 11,7 Milliarden Dollar wert sein. Allerdings ist das nur ein Rechenspiel, denn damit könnte man vermutlich nur einen oder zwei Ausflüge zum Mann im Mond bezahlen. Das gesamte Apollo-Programm verschlang nämlich bis 2009 etwa 120 Milliarden Dollar.